Unsere zwei Altbauten in der Stephanstraße 22 und 24 stehen unter Denkmalschutz. Das bedeutet, die Gebäude sollen dauerhaft erhalten bleiben, um so Baukunst und Alltag vergangener Zeiten lebendig im Stadtbild zu integrieren.
Die Vergangenheit unserer beiden alten Häuser war bewegt; erbaut Ende des 19. Jahrhunderts von Jacob Lippmann, Sohn aus einer bekannten jüdischen Aachener Tuchmacherfamilie, waren sie von Anfang an als Mietshäuser gedacht und haben so schon immer die unterschiedlichsten Menschen und Schicksale beherbergt.
Das wohl erste Mietinserat für die Stephanstraße 24 – „ganz oder getheilt“ -wurde am 29.09.1889 im Aachener Anzeiger veröffentlicht, siehe Zeitungsportal NRW :
Im Oktober 1906 wird eine „stille Familie“ für 5 abgeschlossene Räume in der Stephanstraße 22 gesucht, siehe Zeitungsportal NRW:
Im Gegensatz zur benachbarten Rosstraße, deren Bewohnerschaft vor allem aus den Arbeitern der anliegenden Fabriken bestand, sieht man auch an dieser Annonce, dass die Häuser in der Stephanstraße bürgerlichen Familien vorbehalten waren. Von so viel Platz hätte man als Arbeiterfamilie in der Rosstraße nur träumen können.
Danach lassen sich über die Jahrzehnte hinweg viele Mietinserate finden, die, den Zeiten geschuldet, immer weniger Wohnraum umfassen.
In unserem Buch „Geschichte der Häuser, Häuser der Geschichte“, das im Rahmen des Bundesprogramms „TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZEN STÄRKEN“ entstanden ist, bekommt man einen guten Eindruck über die wechselvolle Historie. Geschichte wird erlebbar und im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar. Immer wieder stoßen wir auf Geheimnisse, die es zu lüften gilt und das Wissen darüber zu bewahren. Da sind zum Beispiel alte Durchbrüche zwischen unseren Gebäuden, aber auch zwischen Hausnummer 22 und der benachbarten ehemaligen Augenheilanstalt in der Stephanstraße 16-20, die sich noch in unseren Räumen erahnen lassen.
Die Durchbrüche zwischen der Augenheilanstalt und Haus 22 entstanden 1905/1906, als die Augenheilanstalt, seit 1904 neuer Besitzer der beiden Wohnhäuser, die zweite Etage der Stephanstraße 22 für die Unterbringung von Patienten nutzte, siehe Zeitungsportal NRW :
Und auch zwischen Haus 22 und 24 lassen sich an vielen Stellen Durchbrüche erahnen. Einen dieser Durchbrüche entdeckten wir, als wir eine Wohnung in Haus 24 um ein Zimmer aus dem anderen Altbau erweitert haben. Den Durchbruch, den wir vornahmen, gab es schon einmal: Der Sturz war sogar noch da! Der Stuck in beiden nun wieder verbundenen Wohnungen an der gleichen Stellen abgeschnitten. Die alte Verbindung wurde deutlich sichtbar. Doch welchen Zweck sie einst hatte, bleibt bislang im Dunkeln.
1924 ging die Augenheilanstalt nebst unserer Häuser Nr. 22 und 24 an die Stadt Aachen über. Am 15. Mai 1935 wurde sie geschlossen, siehe Artikel vom 21.05.1935 im Echo der Gegenwart.
Unsere beiden Altbauten haben den Krieg recht unbeschadet überstanden. Während sich in den Straßen um uns herum die Trümmer türmten – rund 64 % aller Aachener Wohnhäuser wurden völlig zerstört1 – und der Wiederaufbau von Wohnraum nur schleppend voran geht, konnten unsere Häuser weiter als Mietshäuser fungieren.
Und dafür, dass sie in Zukunft weiterhin lebenswerte Mietshäuser bleiben, tragen wir im Wohnprojekt Sorge!
1Vgl. Schötten, Björn: Stadtplanung für den Wiederaufbau, in: Centre Charlemagne (Hrsg.): Der Krieg ist aus, Aachen 2019, S. 119 ff